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50 Jahre Verein Sozialpädagogik OÖ.: Was sind der Gesellschaft unsere Kinder wert?

Anlässlich des 50-jährigen Bestehens haben Vertreter:innen des Vereins Sozialpädagogik OÖ. (kurz: SO!) – die Soziale Initiative ist seit dem Jahr 2000 Mitglied – bei der Jubiläumsveranstaltung am 22. September 2022 am Campus Linz der Fachhochschule OÖ mit 120 Gästen auf die Entwicklungen des sozialpädagogischen Arbeitens in den letzten Jahrzehnten zurückgeblickt.

Darüber hinaus wurden die Ursachen und die weitreichenden Auswirkungen des eklatanten Personalmangels bei sozialpädagogischen Fachkräften für unsere Gesellschaft sowie Perspektiven für die Arbeit in der Kinder- und Jugendhilfe (kurz: KJH) diskutiert. Vertreten wurde SO! von Vereinsobmann und plan-B-Geschäftsführer Alexander König; darüber hinaus von Elisabeth Pammesberger, Leiterin im Mädchenwohnhaus Die Brücke in Bad Ischl, Martin Hofer, Geschäftsführung Soziale Initiative und Gerhard Pohl, Leiter der SOS-Kinderdörfer Altmünster und Rechberg. „Sparen an unseren Kindern heißt Sparen an unserer Zukunft, und Zukunft kann man machen!“ sagt Jugendschutz-Landesrätin Birgit Gerstorfer bei der Eröffnung der Jubiläumsveranstaltung. „Deshalb danke ich dem Verein Sozialpädagogik OÖ. für die wertvolle und hartnäckige Arbeit für Kinder und Jugendliche in schwierigen Situationen und die Zuwendung, Partizipation, Struktur und Mitverantwortung, die die beteiligten sozialpädagogischen Einrichtungen ihnen ermöglichen."

Die Zukunft junger Menschen steht im Fokus

Ausgehend von einer kleinen Gruppe aus leitenden Vertreter:innen sozialpädagogischer Einrichtungen, einst „Heimleiterkreis“ genannt, vereint der Dachverband heute 16 öffentliche und private Einrichtungen der KJH und hat sich u.a. zum Ziel gesetzt, in Fragen der sozialpädagogischen Arbeit gesellschaftlich meinungsbildend zu wirken. Die Einrichtungen betreuen jährlich ca. 5.000 Kinder und Jugendliche mit unterschiedlichen Angeboten und beschäftigen über 2.000 Mitarbeiter:innen. 

„In den vergangenen fünf Jahrzehnten hat sich die Kinder- und Jugendhilfe maßgeblich entwickelt und gewandelt. Heute prägen zeitgemäße und zukunftsweisende Grundsätze die sozialpädagogische Arbeit mit jungen Menschen. Paternalistische Haltungen sind dem Ansatz der beteiligenden Kooperation auf Augenhöhe gewichen. Im Augenmerk steht die gemeinsame Entwicklung tragfähiger Lösungen unter Einbeziehung des gesamten Familiensystems“, erklärt Alexander König in seiner Eröffnungsrede, wie der Verein sozialpädagogische Errungenschaften entscheidend mitgeprägt hat. 

Aktuelle Herausforderungen in der sozialpädagogischen Arbeit

Gesellschaftliche Probleme zeigen ihre Auswirkungen besonders deutlich in der sozialpädagogischen Arbeit. Vor allem Familien, die von Armutsgefährdung, Konflikten und psychosozialen Belastungen betroffen sind, geraten infolge der Corona-Pandemie und der Teuerungen zunehmend unter Druck, waren sich die Vertreter:innen von SO! einig. Damit verstärken sich auch die Problemlagen der jungen Menschen, die in der KJH betreut werden.

Zusätzlich verschärft wird diese bedenkliche Situation durch den alarmierenden Fachkräftemangel, der mittlerweile auch in der Sozialpädagogik und der sozialen Arbeit voll durchgeschlagen hat. Die Personalnot führt zu zusätzlichen Belastungen, die kaum mehr bewältigt werden können. „Einerseits müssen die Rahmenbedingungen verbessert werden, damit das Berufsbild attraktiv bleibt. Dazu gehören verlässliche und planbare Arbeitszeiten, vor allem im Turnusdienst, mehr Personal und kleinere Gruppengrößen sowie die Abschaffung der föderalen Organisation von Ausbildungen. D.h., eine Ausbildung, die in Oberösterreich absolviert wird, muss in allen Bundesländern anerkannt werden“, sagt Martin Hofer von der Sozialen Initiative. „Andererseits ist es höchste Zeit, den sozialpädagogischen Beruf besser zu  bezahlen. Dazu gehört es auch, den Bereich der Betreuung und Versorgung dem arbeitsmarktpolitischen Beschäftigungsfeld gleichzustellen, was die Entlohnung betrifft. Beides ist wichtig und wertvoll!“

Was sind uns unsere Kinder wert?

Der Verein Sozialpädagogik OÖ. hat sich in den letzten Jahren vehement für die Verlängerung von Hilfen für junge Erwachsene durch die KJH eingesetzt. Derzeit besteht ein Rechtsanspruch bis zum 18. Lebensjahr, eine Verlängerung kann bis 21 Jahre gewährt werden. Die jungen Erwachsenen, die in der Betreuung der KJH stehen, sind aufgrund ihrer Vorbelastungen oftmals nicht in der Lage, mit 18 oder 21 Jahren ein eigenständiges Leben zu führen. Sie brauchen weiterhin Betreuung und Begleitung, z.B. um eine begonnene Ausbildung erfolgreich zu beenden oder ein selbstständiges Leben in der eigenen Wohnung führen zu können.

Im Austausch und im Diskurs mit den politischen Entscheidungsträger:innen ist es gelungen, über die Parteigrenzen hinweg einen breiten Konsens über die Sinnhaftigkeit und den volkswirtschaftlichen Nutzen einer Verlängerung bis zum 24. Lebensjahr zu schaffen, die Kosten dafür sind vergleichsweise gering. Nun liegt ein Entwurf für die Novelle der Oö. KJHG 2014 zu den Hilfen für junge Erwachsene vor, der den Bedürfnissen dieser Zielgruppe nur in geringen Ansätzen genügt. Die geplanten Änderungen sind derart einschränkend formuliert, dass sie nur einer sehr kleinen Gruppe der Betroffenen zugutekommen können.

Die KJH steht vor großen Herausforderungen, und es geht um nichts weniger als um die Zukunft junger Menschen. Um diese bewältigen zu können, braucht es den Rückhalt und die Unterstützung der politischen Entscheidungsträger:innen sowie der gesamten Gesellschaft. Wir alle müssen eine Antwort auf die Frage finden: Was sind uns unsere Kinder wert?

Die prekäre Lage lässt nur einen Schluss zu: Die Rahmenbedingungen der KJH und der Sozialpädagogik müssen verbessert werden. Die sozialpädagogische Arbeit braucht mehr gesellschaftliche Anerkennung und Ressourcen. Wissenschaftliche Studien zum „Social Return on Investment“ zeigen: jeder Euro, der in die KJH fließt, bringt der Gesellschaft in Folge ein Vielfaches an Nutzen. Je früher in der Lebensphase eines Kindes investiert wird, umso besser fällt die Kosten-Nutzen-Bilanz aus. „Es liegt nun in der Verantwortung der Politik, unsere Ideen und Lösungsvorschläge rasch aufzugreifen und in Zusammenarbeit mit Fachleuten der KJH Maßnahmenpakete zu entwickeln. Wir steuern gerne unsere Expertise sowie unsere jahrelange Erfahrung aus der sozialpädagogischen Praxis bei“, so Martin Hofer. „Ich bin überzeugt, es ist die wirkungsvollste und nachhaltigste – und  nüchtern betrachtet – kostengünstigste Investition, die wir zum Wohle unserer Kinder – und damit in unser aller Zukunft - tätigen können.“