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Jugendcoaching in Justizanstalten: den Übergang nach "draußen" begleiten

Der Einstieg ins Berufsleben nach einer (längeren) Haftstrafe fällt jungen Straftäter:innen, die keine oder wenig Erfahrung am Arbeitsmarkt nachweisen können, besonders schwer. Deshalb bietet die Soziale Initiative seit 2014 im Auftrag des Sozialministeriumservice das „we need you“ Jugendcoaching auch für Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 15 bis 24 Jahren an, die in einer der sechs Justizanstalten (JA) in Oberösterreich inhaftiert sind.

Um den Übergang nach „draußen“ zu erleichtern, wird den jungen Menschen die Möglichkeit geboten, sechs Monate vor ihrer bedingten Haftentlassung ein Jugendcoaching in Anspruch zu nehmen. Die Beratung durch eine:n Coach:in hat zum Ziel, Berufsorientierung zu ermöglichen, Fähigkeiten, sowie Talente zu erkennen und zu fördern, den Selbstwert zu stärken und damit den Einstieg ins Berufsleben oder die Wiederaufnahme einer bereits begonnenen Ausbildung nach der Haft zu erleichtern. Seit 2014 haben rund 1.000 junge Menschen (davon sind ca. 2/3 Burschen und junge Männer) aus den JA in Asten, Garsten, Linz, Ried, Suben und Wels daran teilgenommen. Derzeit werden 102 Jugendliche und junge Erwachsene betreut.

Bewerbungstraining gibt Orientierung, Sicherheit und Perspektiven

Wenn sich ein junger Mensch nach der Entlassung aus der Haft auf Jobsuche begibt, beginnt die erste Verunsicherung bereits mit der Frage, wie und wann man im Bewerbungsgespräch sagt, dass man im Gefängnis war. Um junge Straftäter:innen darauf vorzubereiten, hat die  Soziale Initiative am 8. September 2022 mit fachlicher Unterstützung der HR-Expert:innen von LIWEST Kabelmedien GmbH, Rohrdorfer Transportbeton GmbH und voestalpine Stahl GmbH, zum zweiten Mal ein halbtägiges Bewerbungstraining für drei junge Männer im Alter von 19 bis 20 Jahren organisiert, die derzeit noch in der Justizanstalt Linz eine Haftstrafe absitzen. Jeder Teilnehmer wurde dabei von seinem:seiner Jugendcoach:in sowie den HR-Expert:innen betreut, die sein:ihr Know-how und seine:ihre Erfahrungen im Bereich Personalmanagement und -entwicklung zur Verfügung gestellt haben. Neben dem Erstellen von Bewerbungsunterlagen wurden Bewerbungsgespräche realistisch und praxisnah geübt und wichtige Fragen rund um den Bewerbungsvorgang geklärt. Nach jedem Gespräch wurde mit dem Jugendlichen reflektiert, wie er sich besser präsentieren kann, um seine Chancen am Arbeitsmarkt zu erhöhen. Die Inhaftierung stellte dabei kein zentrales Thema dar. Dennoch ist es wichtig, dass die junge Straftäter reflektiert darüber berichten können und damit Sicherheit im Umgang mit Fragen wie „Soll die Haftstrafe im Lebenslauf stehen?“, „Wann sage ich am besten, dass ich in Haft war?“, oder „Muss ich sagen, welche Straftat ich begangen habe?“, bekommen.

„Jeder Mensch verdient eine zweite Chance und junge Menschen sowieso - sie sind unsere Zukunft. Als Unternehmen können wir jeden Arbeitnehmer, der sich einbringen und einen Beitrag leisten möchte, brauchen. Deshalb ist es mir ein Anliegen, mein Wissen und meine jahrelange Erfahrung im Recruiting und in der Personalentwicklung beim Bewerbungstraining einzubringen“, erklärt HR-Leitung Maria Gratzl von der LIWEST Kabelmedien GmbH ihr Engagement.

Die Erfahrung zeigt, dass das Training den Jugendlichen hilft, die Scheu vor Bewerbungsgesprächen zu vermindern. Außerdem lernen sie, sich trotz Haftstrafe positiv zu präsentieren. Das wiederum erhöht ihre Chancen, am ersten Arbeitsmarkt nachhaltig Fuß zu fassen und ein selbstbestimmtes und finanziell abgesichertes Leben führen zu können. „Es ist wichtig ‚dranzubleiben‘ und unsere Jugendlichen und jungen Erwachsenen anzuleiten und zu begleiten, um ihnen eine berufliche Perspektive zu ermöglichen. Nur mit einer beruflichen Verankerung ist es möglich, nachhaltig in den Arbeitsmarkt reintegriert zu werden“, sagt Iris Hofer, Leiterin der Justizanstalt Linz.

Die Arbeiterkammer Oberösterreich hat das Bewerbungstraining unterstützt, indem sie die Seminarräumlichkeiten und die Verpflegung der Teilnehmer:innen im Jägermayrhof kostenlos zur Verfügung gestellt hat. AK-Präsident Andreas Stangl erklärt: „Gemeinsam mit der Sozialen Initiative zeigen wir, dass die Arbeiterkammer Oberösterreich alle Jugendlichen auf ihrem Weg in die Arbeitswelt unterstützt. Jeder Mensch kann in eine Situation kommen, in der er Hilfe braucht. Das Bewerbungstraining eröffnet Möglichkeiten und Perspektiven für diese jungen Menschen.“ 

Arbeit ist mehr als Existenzsicherung

Die Basis für die gute Unterstützung der Teilnehmer:innen ist die wertschätzende und transparente Zusammenarbeit mit dem Sozialen Dienst der Justizanstalt. „Im Idealfall kann bereits in Haft ein Außenkontakt zu einem Betrieb oder einem Beschäftigungsprojekt hergestellt werden. Im Rahmen von Ausgängen begleiten wir unsere Teilnehmer:innen zu Bewerbungsgesprächen oder Schnupperterminen. Je klarer das Bild und je konkreter die berufliche Perspektive schon in Haft ist, umso größer ist die Chance, dass der junge Mensch seine Ziele tatsächlich erreicht“, so Jugendcoachin Doris Bammer. Denn schließlich dient Arbeit nicht nur der Existenzsicherung, sondern bietet neben der Strukturierung des Alltags auch soziale Anerkennung und stellt damit einen wesentlichen präventiven Aspekt zur Strafvermeidung dar.