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Tag gegen Armut: Wie Existenzsorgen im Alltag das Kindeswohl gefährden

Anlässlich des Internationalen Tages für die Beseitigung der Armut, der 1992 von den Vereinten Nationen ausgerufen wurde, um den Anliegen von Armutsbetroffenen Menschen Gehör zu verschaffen, möchte die Soziale Initiative auf die alarmierenden Auswirkungen der steigenden Preise bei Wohnen, Haushaltsenergie, Verkehr und Lebensmittel auf betreute Familien aufmerksam machen.

Häufig betroffen sind Kinder, Alleinerziehende, Mehrkindfamilien, Arbeitslose, chronisch kranke Menschen, Arbeitnehmer:innen im Niedriglohnsektor und Migrant:innen. Jene, die ohnehin armutsgefährdet sind  –  das sind rund 15 Prozent der österreichischen Bevölkerung, also 1,3 Mio. Menschen, trifft es besonders hart. 368.000 davon sind Kinder und Jugendliche, das ist jede:r 5. unter 18 Jahren. Wohnen, Energie und Lebensmittel beanspruchen den Großteil des Einkommens, für zusätzliche Preissteigerungen bleibt also kein Puffer. Wesentliche Güter oder Lebensbereiche sind dann nicht mehr leistbar, etwa die neue Waschmaschine, eine ausreichend geheizte Wohnung oder die dringend notwendige Therapie oder Zahnspange für ein Kind. Ins Gasthaus gehen, ein Familienausflug oder die Sportwoche für das Schulkind sind purer  –  unbezahlbarer  –  „Luxus“. Immer öfter kommen auch Menschen in prekäre Lebenslagen, von denen man das auf den ersten Blick nicht vermuten würde, etwa, weil beide erwerbstätig sind. Armutsgefährdung betrifft nicht mehr ausschließlich Randgruppen, sondern ist in der Mittelschicht angekommen.

Wie Angebote der Sozialen Initiative helfen, Armut abzufangen oder zu mindern

Die Mitarbeiter:innen der Erziehungs- und Alltagshilfe (EAH) sowie der Sozialpädagogischen Familienbetreuung (SFB) unterstützen, beraten und begleiten betroffene Familien. In Oberösterreich sind die mobilen Teams der Sozialen Initiative in beinahe allen Bezirken mit 210 Mitarbeiter:innen tätig und betreuen aktuell 675 Familien. Infolge der Teuerungen schauen die Betreuer:innen derzeit besonders darauf, gemeinsam mit den Eltern bzw. dem Elternteil, wo z.B. noch günstiger eingekauft oder gespart werden kann oder Hilfen beantragt werden können. 

Das Thema der Armutsgefährdung wird jedoch auch in anderen Angeboten sichtbar, z.B. im „we need you“ Jugendcoaching und in AusbildungsFit. Auch wenn junge Menschen die Angebote der beruflichen Integration primär in Anspruch nehmen, um Klarheit über ihre Orientierung am Weg ins Arbeitsleben zu bekommen, arbeiten die sozialpädagogischen Fachkräfte im Sinne des Case-Managements ganzheitlich und schauen sich das Lebensumfeld und andere Themen, die den:die Jugendliche:n gerade beschäftigen, an. Dazu kann auch Armutsgefährdung in der Familie gehören.

Armut gefährdet das Wohl unserer Kinder

Armut macht krank und grenzt aus. Aus der Armutsforschung ist hinreichend belegt, dass Armut gesundheitsgefährdend ist. Darüber hinaus ist Armut suchtgefährdend und hat dramatische Folgen auf die psychische Stabilität der Betroffenen. Menschen, die dauerhaft um ihre Existenz fürchten müssen, haben ein doppelt so hohes Risiko für Depressionen wie jene, die in finanziell abgesicherten Haushalten leben. Der eingeschränkte Zugang zu (Aus-) Bildung, Gesundheit, angemessener Unterkunft und gesunder Ernährung hat weitreichende Folgen bis ins Erwachsenenleben. Kinder, die in Armut aufwachsen, sind als Erwachsene deutlich häufiger chronisch krank. Die Fachkräfte der Sozialen Initiative berichten auch über den enormen Stress, den Eltern durch tagtägliche Existenzsorgen ausgesetzt sind. Es ist allgemein bekannt, das Stress auf Dauer krank macht – körperlich und psychisch – und das wirkt sich wiederum negativ auf das Beziehungsgefüge und die Stabilität in den Familien aus. Deshalb ist es umso wichtiger, frühzeitig anzusetzen und Armutsgefährdung in Familien ehestmöglich abzuwenden oder zumindest zu mildern. 

Darüber hinaus schränkt Armut die soziale Teilhabe deutlich ein. Darunter versteht man, dass Kinder an schulischen und außerschulischen Aktivitäten teilnehmen können, wie z.B. der Projektwoche, dem Vereinssport oder dem Besuch der Musikschule. Wachsen Kinder in Armut auf, so sind ihre Möglichkeiten auf ein selbstbestimmtes Leben begrenzt und sie sind vielfach von der Gesellschaft abgekoppelt. Bildungsungerechtigkeit und mangelnde soziale Teilhabe prägen jedoch nicht nur das einzelne Kind oftmals für sein ganzes Leben, sondern haben auch auf gesellschaftlicher Ebene negative Auswirkungen auf den sozialen Frieden und den Zusammenhalt. 

Investitionen in Kinder sind aus sozialpolitischer und volkswirtschaftlicher Sicht nachhaltig

In der öffentlichen Wahrnehmung werden soziale Angebote und Leistungen oftmals als Kostenfaktor gesehen. Internationale Studien belegen jedoch die Wirksamkeit und den ökonomischen Nutzen von Investitionen in das gesunde Aufwachsen von Kindern. Jeder Euro, der in die Kinder- und Jugendhilfe (KJH) fließt, bringt der Gesellschaft in Folge ein Vielfaches an Nutzen. Je früher in der Lebensphase eines Kindes investiert wird, umso besser fällt die Kosten-Nutzen-Bilanz aus.

Es ist die Aufgabe der Politik, unter Einbeziehung der Stakeholder – wie der KJH –, hier Lösungen zu finden. Es sind vor allem jene Maßnahmen sinnvoll, die auf die soziale Treffsicherheit Bedacht nehmen und Haushalte, die bereits von Armut betroffen bzw. davon bedroht sind, besonders unterstützen. In der Sozialen Initiative sieht man drei wesentliche Bereiche, in denen rascher Handlungsbedarf besteht, damit das Leben für Familien – besonders im unteren Einkommensdrittel – leistbar bleibt und Armutsgefährdung abgewendet werden kann. Der soziale Wohnbau muss wieder verstärkt gefördert und ausgebaut werden. Lebensmittel müssen leistbar bleiben, über Gutscheine oder eine Pauschale für Menschen mit geringem Einkommen. Darüber hinaus sollte Kinderbetreuung bis zu einem bestimmten Haushaltseinkommen kostenlos oder danach sozial gestaffelt sein.